REUSS-Aktuelles



22.03.2024

Europäische Forschung für die klimaverträgliche Luftfahrt

Das Clean Aviation Annual Forum in Brüssel im März 2024 markierte den Abschluss des europäischen Luftfahrtforschungsprogramms Clean Sky 2 (2013 bis 2024) sowie dessen Fortsetzung unter dem Titel Clean Aviation. Industrie- und Forschungspartner, darunter das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), haben in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen von Clean Sky 2 intensiv in vielfältigen Projekten für klimaverträgliche Luftfahrttechnologien geforscht. Das Programm hat mit dem Abschluss in diesem Jahr fast 1.000 Unternehmen aus ganz Europa in Hightech-Projekten zusammengebracht sowie mehr als 100 Demonstratoren und über 1.000 innovative Technologien geliefert.


Bild: Clean Aviation

„Mit unseren Beiträgen zu Technologie- und Demonstratorplattformen bei Clean Sky 2 sowie nun bei Clean Aviation gestalten wir die klimaverträgliche Luftfahrt an entscheidender Stelle in Europa mit“, sagt Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt. „Insbesondere engagieren wir uns bei der Bewertung und Analyse neuer Luftfahrttechnologien und ihrer Potenziale, wo das DLR europaweit führend ist.“ Im Rahmen der Technologiebewertung, bei Clean Sky 2 als Technology Evaluator bezeichnet, wird umfassend analysiert, wie sich technologische Entwicklungen in der Luftfahrt ökonomisch und ökologisch auswirken.

„Im Laufe von Clean Sky, Clean Sky 2 und nun Clean Aviation hat sich wieder gezeigt, dass die Forschung des DLR die Entwicklungen konstruktiv voranbringt“, ergänzt Dr. Ulrich Herrmann, DLR-Koordinator Clean Aviation und Clean Sky 2. „Dabei ist das DLR-Beteiligungsvolumen gestiegen und es ist gelungen, eine neue Qualität der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten aus der Industrie zu erreichen sowie bestehende Kooperationen zu pflegen.“ In insgesamt 27 Projekten engagierte sich das DLR im Rahmen von Clean Sky 2. Beispielhaft sind dabei hervorzuheben:

Der thermoplastische Rumpf von morgen

Der Multifunctional Fuselage Demonstrator (MFFD) ist acht Meter lang und hat einen Durchmesser von vier Metern. Das Flugzeugbauteil besteht aus thermoplastischem CFK. Der Prototyp wurde im Rahmen von Clean Sky 2 am DLR in Augsburg gefertigt, um das innovative Material und die neuen Technologien auf ihre Einsatzreife hin zu prüfen. Das einzigartige acht Meter lange Rumpfrohr reduziert das Gewicht des Rumpfs im Vergleich zur herkömmlichen Aluminiumbauweise um etwa eine Tonne. Das geringere Gewicht und die höhere Effizienz der Struktur ermöglichen einen geringeren Energieverbrauch zukünftiger Flugzeuge und damit geringere CO2-Emissionen.

Helikopter der nächsten Generation

Er fliegt schneller, weiter und effektiver als bisherige Hubschrauber: der Demonstrator RACER (Rapid And Cost-Effective Rotorcraft). Bereits 2017 stellte Airbus das Konzept für den neuen Hochgeschwindigkeits-Hubschrauber im Boxwing-Design vor, der Geschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometer pro Stunde erreichen kann und den besten Kompromiss zwischen Sicherheit, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit bieten soll, mit einer Reduzierung der Emissionen von CO2, Stickoxiden und Lärm um 20 Prozent. Forschende des DLR haben gemeinsam mit der französischen Luftfahrtforschungseinrichtung ONERA im Rahmen von Clean Sky 2 bei der Gestaltung und Bewertung der Konfigurationen für den Hubschrauber mitgewirkt und zudem die akustischen Eigenschaften der Konfiguration analysiert und dabei nachgewiesen: Der RACER ist nicht nur schneller, er ist auch leiser als heutige Hubschrauber.

Vom Flugversuch zur virtuellen Zertifizierung

Im Rahmen von Clean Sky 2 sind in Zusammenarbeit mit Dassault Aviation Flugversuche mit dem DLR-Forschungsflugzeug Falcon 2000LX ISTAR geflogen worden. Ziel der Flugversuche im Jahr 2023 war, hochpräzise die Änderung von Flugverhaltens- und Strömungsdaten, hervorgerufen durch künstliche Eisansätze, zu erfliegen. Langfristig soll der Weg der virtuellen Zertifizierung beschritten werden durch den Nachweis, dass sich Änderungen des Flugverhaltens und der Umströmung eines Flugzeuges numerisch vorhersagen lassen. Denn das ist eine Voraussetzung dafür, dass Luftfahrtbehörden in Zukunft virtuelle Nachweise für die Zertifizierung akzeptieren können. Die Flugkampagne hat erfolgreich wertvolle Messdaten erbracht, die nun ausgewertet werden.Neue

Triebwerkstechnologien

Der Trend zu immer größeren Triebwerken für die verschiedenen Schubklassen erfordert einen breiten Forschungsansatz zum komplexen Gasturbinen-System, vom Fan am Einlass, über das komplette Verdichtersystem, über die Verbrennung, die Turbine sowie den Auslass. Im Projekt Transition hat das DLR im Rahmen von Clean Sky 2 zusammen mit Rolls-Royce ein realistisches Turbinen-Testrig entwickelt, adaptiert, gebaut und betrieben. Es ist perspektivisch die Verbesserung der Messsysteme entwickelt und deren Implementierung betrieben worden. Damit kann die weitere industrielle Anwendung des Testrigs geplant werden. Im Projekt 2ShaftCompressor hat das DLR im Rahmen von Clean Sky 2 zusammen mit der MTU Aero Engines einen aero-mechanischen Entwurf eines integrierten Verdichtersystems, bestehend aus Niederdruckverdichter, dem kurzen und leichten Übergangskanal, sowie dem Hochdruckverdichter erstellt und umgesetzt. Die ehrgeizigen Entwurfsziele zur Verbrauchsreduktion werden durch den Betrieb dieses Rigs validiert. Diese anspruchsvollen Aufgaben werden nach Abschluss des Clean-Sky-2-Programms bilateral weitergeführt werden.

Absaugsystem kann Energieverbrauch und Emissionen verringern

Ein wesentlicher Treiber der Effizienzsteigerung neuer Flugzeuge ist die Reduktion des Widerstandes. Der Reibungswiderstand an den tragenden Flächen wird durch hybride Laminarisierung reduziert. Obwohl lange bekannt und physikalisch verstanden, wird die praktische Umsetzung in der Serie aufgrund der bislang recht komplexen Systeme verhindert. Im Projekt HLFC-win hat das DLR gemeinsam mit Airbus und weiteren Industriepartnern im Rahmen von Clean Sky 2 ein vollständig integriertes, serientaugliches Laminarerhaltungssystem entworfen. Dieses ist in einem bodengebundenen Demonstrator umgesetzt worden. Der Demonstrator vereint das Absaugsystem, die austauschbare, variable perforierte Titanhaut der Flügelnase sowie das Hochauftriebs- und das Enteisungssystem des Flugzeugs. Der Betrieb dieses Systems ist am Boden simuliert und sogar für den Fall eines Vogelschlages nachgewiesen worden. Herstell- und Betriebskosten sind abgeschätzt und der Betrieb in einer Flugzeugflotte als wirtschaftlich erfolgreich beurteilt worden.

Quelle: https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2024/europaeische-forschung-fuer-die-klimavertraegliche-luftfahrt