REUSS-Aktuelles



19.03.2024

„Copernicus wirkt“ stark auf unseren Alltag

Unter dem Motto „Copernicus wirkt“ steht beim „Nationalen Forum für Fernerkundung und Copernicus“ mit rund 400 Teilnehmenden im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in Berlin vom 19. bis zum 21. März 2024 die alltägliche Anwendung des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus im Vordergrund. Zudem werden Herausforderungen diskutiert und Visionen für künftige Einsatzmöglichkeiten der Satellitenflotte und der darauf aufsetzenden Dienste aufgezeigt. Neben den Nutzungsmöglichkeiten für öffentliche Einrichtungen werden auch Forschungsergebnisse und privatwirtschaftliche Anwendungen präsentiert.


Bild: Modifizierte Copernicus-Sentinel-Daten (2020), verarbeitet von der ESA

„Copernicus ist heute das weltweit führende Programm für die zivile Erdbeobachtung und hat die Nutzung von Satellitenaufnahmen der Erde auf ein neues Niveau gehoben. Diese Daten liefern Behörden wichtige Informationen und werden so auch zu staatlichen Entscheidungsgrundlagen, zum Beispiel anlässlich der UN-Weltklimakonferenzen und hinsichtlich der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Gleichzeitig sind sie ein gigantischer Inkubator für Start-ups, weil sie kostenfrei zur Verfügung stehen“, betont Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. „Das diesjährige Motto ‚Copernicus wirkt‘ verdeutlicht, wie stark die satellitengestützte Erdbeobachtung schon in unser alltägliches Leben integriert ist und damit unsere heutige Gesellschaft prägt“, so Dr. Pelzer weiter.

Das Nationale Copernicus-Forum wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) organisiert. Es hat sich zu einer Leuchtturmveranstaltung für Erdbeobachtungsanwendungen entwickelt, auf der eine breite Palette an Themen behandelt wird.

Mit Copernicus-Daten den Green Deal ermöglichen

Mit dem Grünen Deal hat sich Europa ambitionierte Ziele gesetzt. So sollen die Herausforderungen des Klimawandels, der Umweltzerstörung und des Artensterbens bewältigt und zugleich wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand gefördert werden. Dafür wirkt diese umfassende und integrative Strategie in alle relevanten Politikbereiche und Sektoren. In der Landwirtschaft sind dies in besonderem Maße die „Farm to Fork“-Strategie, die EU-Biodiversitätsstrategie, die Strategie zur Anpassung an den Klimawandel ebenso wie das Europäische Klimagesetz. Die Maßnahmen zielen darauf ab, Europa auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen, den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln einzudämmen, eine biologisch verträgliche Landwirtschaft sowie den Schutz von Böden zu fördern und den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern. Klimaschutz und der Erhalt der Artenvielfalt sollen die Lebensgrundlage von uns allen bewahren und wiederherzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt Sen2Bee.

Hier entwickelt das Julius Kühn-Institut (JKI) „Werkzeuge“ zur besseren Aufklärung von Bienenvergiftungen, wobei Daten der Sentinel-2 Satelliten eine übergeordnete Rolle spielen. So können bei Vergiftung eines Bienenvolkes die Pflanzenschutzämter der Bundesländer mit Daten aus dem All überprüfen, ob ein Verstoß gegen die Bienenschutzverordnung, wie zum Beispiel die Fehlanwendung von Pflanzenschutzmitteln, vorliegt. Sentinel-2 Daten und Zeitreihen helfen bei der Analyse, welche Felder mit höchster Wahrscheinlichkeit für eine Vergiftung infrage kommen. Am 21. März 2024 gibt es eine Fachsession zum Thema „Copernicus für den European Green Deal: Best Practice Beispiele zur Umsetzung in der Landwirtschaft“, die sich neben dem Bienenprojekt auch mit weiteren, spannenden Anwendungsbeispielen in der Landwirtschaft beschäftigt.

Mit Copernicus-Daten nachhaltige Städte gestalten

Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten – Tendenz steigend. Insbesondere Versiegelung und intensive Bebauung haben einen stark negativen Einfluss auf städtische Hitzeentwicklung und Luftqualität. Da sie die Lebensrealität so vieler Menschen bestimmen, müssen Städte inklusiver, sicherer, resilienter und insbesondere nachhaltiger werden. Doch diese Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung der Städte müssen auch erschwinglich sein. Dafür leisten die kostenlos verfügbaren Copernicus-Daten wertvolle Dienste, denn sie geben Städten und Kommunen vielfältige Möglichkeiten, klimabedingte Veränderungen zu überwachen und zu verstehen. So können die Daten aus dem Weltraum Städten und Kommunen dabei helfen, sich den veränderten Klima- und Temperaturbedingungen anzupassen.

Doch viele Stadtplanungsämter verfügen noch nicht über praxistaugliche Werkzeuge, um ihre tägliche Arbeit effizient an neue Klimabedingungen anzupassen. Um die Entwicklung hilfreicher Tools voranzutreiben, unterstützt die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr Projekte, die sich mit Luftreinhaltung, Klimaschutz und Anpassungsstrategien auf Basis von Copernicus-Daten beschäftigen.

Mittlerweile sind rund 40 Copernicus-Projekte in Bauplanung von Städten und Kommunen entstanden. Beispielhaft dafür stehen die Projekte CoKLIMAx und Urban Green Eye. So entwickeln die Fachhochschule Konstanz, die Universität Stuttgart und das Climate Service Center Germany dem Leuchtturmprojekt CoKLIMAx basierend auf Copernicus-Diensten nachhaltige Klimaanpassungskonzepte für Städte und Kommunen, um ihnen eine bessere Grundlage für klimaresiliente Stadtplanung zu bieten. Die Anwendungen von CoKLIMAx konzentrieren sich auf die Bereiche Hitze, Wasser und Vegetation. So können mit einem „Maßnahmen-Werkzeugkasten“ beispielsweise Hitze-Inseln in Städten bestimmt, die Auswirkungen von Starkniederschlagsereignissen modelliert und Informationen über den „Gesundheitszustand“ städtischer Grünanlagen gesammelt werden, um Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Ein zweites Leuchtturmprojekt zum regionalem Vegetations- und Flächenmonitoring für die Klimaanpassung ist Urban Green Eye. Hier entwickeln unter anderem die Technische Universität Berlin in Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig einfache und kostenfreie Zugangs- und Visualisierungsmöglichkeiten für Kommunen. Am 20. März 2024 wird sich eine Podiumsdiskussion dem Thema „Wie unterstützt Copernicus bei Klimaanpassungsstrategien und -maßnahmen?“ widmen. Die beiden Leuchtturmprojekte sind auch mit dabei.

Mit Copernicus-Daten den Umweltschutz unterstützen

Umweltschutz ist wichtig, um die Folgen des Klimawandels auf ein Minimum zu beschränken und natürliche Ressourcen sowie Ökosysteme auch für kommende Generationen zu erhalten. Das Copernicus-Programm bietet eine elementare Grundlage, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel und dessen weitreichenden Folgen messbar – und damit auch für alle sichtbar – zu machen. Durch ständige Beobachtung der Erdoberfläche und der Atmosphäre schafft Copernicus dabei in seinem alltäglichen Betrieb ein wissenschaftliches Fundament für wichtige politische Entscheidungen. So konnte zum Beispiel mithilfe von Sentinel-2-Daten der Verdacht auf eine toxische Alge als Auslöser des Fischsterbens in der Oder im August 2022 schnell bestätigt werden. Die Satellitendaten zeigten erhöhte Chlorophyllkonzentrationen, was auf eine Algenblüte hinweist. Das Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) konnte anhand der Daten den zeitlichen Ablauf der Algenblüte nachverfolgen und somit zur Aufklärung der Umweltkatastrophe einen wichtigen Beitrag leisten.

Copernicus-Daten unterstützen den Umweltschutz aber nicht nur in Katastrophenfällen. Sie helfen ebenso in der alltäglichen Beobachtung von Wasserökosystemen. Aus den Satellitendaten lassen sich neben Informationen über Algenblüten unter anderem Aussagen über Wasserqualität, Sichttiefe oder Trübung ableiten. Dieses Wissen ist beispielsweise für Umweltbehörden hilfreich, die stetig die Binnengewässerqualität überwachen müssen. Damit diese Behörden die Daten dafür regelmäßig und effektiv nutzen können, gibt es das Leuchtturmprojekt „Erfassung der Wasserqualität und Wasserflächenausdehnung von Binnengewässern durch Fernerkundung“ (BIGFE) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Ziel von BIGFE ist es, einen Standard zur Nutzung von Fernerkundungsdaten im Gewässermonitoring zu schaffen, den alle Behörden gleichermaßen nutzen können. Ein weiteres Beispiel ist „Copernicus leuchtet Grün“ (CopGruen). Hier wird an einer effektiveren Nutzung von Fernerkundungsdaten in den Landesumweltämtern gearbeitet. Neben den Ämtern ist unter anderem die Technische Universität Berlin an dem Verbundprojekt beteiligt. Der Schwerpunkt liegt auf der regelmäßigen Beobachtung von Grünland, das sich beispielsweise durch große Mengen an Kohlenstoffspeicherung oder den Schutz vor Bodenerosion auszeichnet und daher besonders wertvoll für den Klimaschutz ist. Zu dem Thema „Binnengewässer und Bundeswasserstraßen“ gibt es am 19. März 2024 eine Fachsession.

Mit Copernicus-Daten Straftätern auf der Spur

Fernerkundungsdaten können dabei helfen, Umweltsündern auf die Schliche zu kommen. Im Projekt „Geospatial Intelligence for Environment Protection Against Illegal Activities“ (GEOINT4ENV) im EU-Programm „Framework Partnership Agreement on Copernicus User Uptake“ (FPCUP) werden unter Beteiligung des GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam Copernicus-Daten dazu genutzt, um „Werkzeuge“ zur Aufklärung und Bekämpfung von Umweltkriminalität zu entwickeln. So wollen Ermittlungsbehörden künftig illegalen Aktivitäten wie zum Beispiel Luftverschmutzung durch Müllverbrennung und Industriebetriebe, Abholzung und andere Schädigungen von Wäldern, Abfallkriminalität wie die illegale Verbringung von Müll, Einleitung von Abwässern in natürliche Gewässer, ungenehmigte Baumaßnahmen von Siedlungen und Gebäuden sowie unsachgemäße Verwendung von organischen Düngemitteln (Gülle) auf die Schliche kommen. Zu diesem Thema gibt es am 19. März 2024 die Fachsession „Reale Ermittlungsarbeit statt ‚True-Crime‘-Geschichten – ein Blick hinter die Kulissen“, auf der auch Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskrimimalamts aus deren Alltag berichten.

Voraussetzung für die Nutzung von Satellitendaten ist eine geeignete Infrastruktur und ein effizienter Datenzugang. „Dafür stellen wir die CODE-DE Plattform bereit. Das große und schnell zugreifbare Datenangebot und die Prozessierungsmöglichkeiten machen CODE-DE sofort nutzbar – auch für KI“, betont Simon König, Projektleiter für die CODE-DE Plattform in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Im digitalen Ausstellungsbereich des Forums können Interessierte sich während der Veranstaltung unter anderem zu CODE-DE informieren.

Quelle: https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2024/copernicus-wirkt-stark-auf-unseren-alltag