REUSS-Aktuelles



14.03.2024

Szenarien für den Weg zum klimaneutralen Luftverkehr

„Klimaneutraler Luftverkehr – wie radikal ist der Weg?“ Dieser Frage stellten sich renommierte Luftfahrt-Experten aus Wissenschaft und Industrie beim 5. Bauhaus Luftfahrt Symposium am 12. und 13. März 2024 in Berlin, darunter Florian Allroggen (MIT), Marianne Berg (Boeing), Nicole Dreyer-Langlet (Airbus), Xavier Lagardère (Lufthansa Innovation Hub) und Lars Wagner (MTU). Wissenschaftler des Bauhaus Luftfahrt ebenso wie Experten aus vielfältigen Fachgebieten gaben Einblick in neue technologische und operationelle Ansätze, und diskutierten deren Potential für die langfristige Entwicklung der Luftfahrt.


Bild: Bauhaus Luftfahrt

„Mit dem klaren Ziel die Luftfahrt klimaneutral zu gestalten, stehen wir vor den größten technologischen aber auch operationellen Veränderungen des Luftverkehrs seit der Einführung des Jetantriebs. Diesen Weg können wir nur meistern, wenn wir unsere Expertise und Kräfte bündeln“, erklärt Prof. Dr. Mirko Hornung, Vorstand des Bauhaus Luftfahrt. Beim Symposium diskutierten renommierte Experten aus Wissenschaft und Luftfahrtindustrie und zeigten auf, dass eine parallele Entwicklung von alternativen Energien (nachhaltige Flugkraftstoffe und Wasserstoff), neuartiger Flugzeugtechnologien sowie Veränderungen im Betrieb des Luftverkehrssystems notwendig sind, um das hochgesteckte Ziel der klimaneutralen Luftfahrt zu erreichen.

Zentrale Aussagen von Experten des Bauhaus Luftfahrt:

Welche radikalen Technologien werden wir sehen?

Neue und radikale Technologien in den zukünftigen Flugzeugkonzepten und Antriebssystemen werden auf dem Weg zu einem klimaneutralen Luftverkehr notwendig sein. Nur mit revolutionären Lösungen bei den Antriebssystemen für alle heute gebräuchlichen Flugzeugklassen kann ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung der Klimaauswirkungen erzielt werden – Lösungen, die die Effizienz verbessern und “Nicht-CO2”-Effekte vermeiden. „Nachdem Energie- und Antriebslösungen auf Batteriebasis durch die spezifische Energie der Batterien stark eingeschränkt sind, bleibt die Gasturbinentechnologie das Rückgrat des modernen Antriebs für Großflugzeuge“, erklärt Dr. Arne Seitz, Koordinator Neue Antriebskonzepte & Wasserstoff in der Luftfahrt. Dafür können radikale Wärmekraftmaschinen und Wasserstoff in Kombination mit fortschrittlichen Brennstoffzellen den Schlüssel zu einem erheblichen Emissionsminderungspotenzial liefern. „Durch eine Integration aller dieser Technologien in wegweisende Gesamtkonzepte ergeben sich so Verkehrsflugzeuge, die sowohl eine deutlich gesteigerte Effizienz wie auch eine klimaverträgliche Nutzung von Energie aufweisen“, erklärt Dr. Jochen Kaiser, Leiter Visionäre Flugzeugkonzepte. Weiterentwickelte Materialien und Fertigungsprozesse erlauben zudem eine schnellere und umweltgerechtere Produktion der nächsten Flugzeuggenerationen und beschleunigen die Erneuerung der Flugzeugflotte.

Welche Rolle werden synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff spielen?

„Grüner Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle für den klimaneutralen Flugverkehr, da der zukünftige Kraftstoffbedarf der Luftfahrt nachhaltigere und umfangreicher verfügbare Lösungen erfordert als die momentan eingesetzten Biokraftstoffe“, erklärt Dr. Valentin Batteiger, Koordinator Luftfahrtkraftstoffe der Zukunft. Power-to-Liquid (PtL)-Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und CO2 synthetisiert werden, gelten als zukünftige Basisoption, um große Mengen nachhaltiger Luftfahrtkraftstoffe herzustellen. Bis marktreife Technologien für die CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft entwickelt sind, stellt die nachhaltige CO2-Verfügbarkeit eine erhebliche Limitierung dar. Hybride Kraftstoffpfade, die fortgeschrittene Biomasse unter Einsatz von grünem Wasserstoff umwandeln, bieten sich für eine effiziente Nutzung biogener Rohstoffe an. Schließlich motivieren die tiefgreifenden Vorteile von flüssigem Wasserstoff (LH2) im Vergleich zu einem PtL-Basisfall die Entwicklung von Wasserstoffflugzeugen. “Nichtsdestotrotz bleiben Drop-in-Kerosine eine erstklassige Option, um die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs zumindest bis zur Mitte des Jahrhunderts deutlich zu reduzieren”, erklärt Dr. Andreas Sizmann, Leiter Zukunftstechnologien und Ökologie der Luftfahrt.

Wie können Politik und Innovation für einen klimaneutralen Luftverkehr zusammenwirken?

Für einen klimaneutralen Luftverkehr müssen Politik, technologische sowie finanzielle Innovationen Hand in Hand arbeiten. Die notwendigen Hebel, um den Flugverkehr zu dekarbonisieren, sind derzeit unausgereift oder nur in geringem Umfang vorhanden. „Glaubwürdige finanzielle Zusagen und Zielvorgaben seitens der politischen Entscheidungsträger sowie der Flugzeughersteller werden die Unsicherheit verringern und Innovationen wie Investitionen anregen“, erklärt Ram Kamath, Koordinator Transition zur klimaneutralen Luftfahrt. Anreize für die Forschung und Entwicklung für hocheffiziente Flugzeuge sowie für Technologien wie Direct-Air-Capture müssen anfangs durch Zuschüsse unterstützt werden. Andererseits bedürfen nachhaltige Kraftstoffe gerade bei der Markteinführen eine Mischung aus Quoten und Subventionen. Mehr Klarheit in Bezug auf die langfristigen Pläne zukünftiger Flugzeugprogramme und die Nachfrage nach nachhaltigen Kraftstoffen sind Grundvoraussetzungen, um durch „grüne“, nachhaltigkeitsbezogene Darlehen gefördert zu werden. „Klare und langfristige Vorgaben seitens der Politik und Zusagen der Flugzeughersteller lösen das Henne-Ei-Problem und schaffen die notwenigen Rahmenbedingungen, um den Wandel der Luftfahrt zur Klimaneutralität aktiv zu führen“, erklärt Dr. Kay Plötner, Leiter Ökonomie und Verkehr.

Wie können Passagiere zu nachhaltigem Verhalten motiviert werden?

Es ist bekannt, dass Änderungen im Konsumverhalten nur erreicht werden können, wenn es eine proaktive Kommunikation gibt, ein klares Bewusstsein über die Auswirkungen des Konsums geschaffen wird sowie attraktive Alternativen angeboten werden. Dies trifft auch für die Luftfahrt und deren Passagiere zu. „Um die Kluft zwischen Einstellung und Verhalten zu verringern, sind gemeinsame Anstrengungen verschiedener Interessengruppen erforderlich – darunter politische Entscheidungsträger, die Luftfahrtindustrie, Nichtregierungsorganisationen und die Wissenschaft,“ erklärt Mengying Fu, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Passenger & Market Development.

Quelle: https://www.bauhaus-luftfahrt.net/de/symposium-pressemitteilung