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ExoMars 2016 ist am Ziel
Am 14. März 2016 startete die ESA-Mission Exo-Mars-2016 vom russischen Kosmodrom Baikonur in Richtung unseres Nachbarplaneten. An Bord der Proton-Trägerrakete befanden sich der Trace Gas Orbiter (TGO) und der Landedemonstrator Schiaparelli (Entry, descent and landing Demonstrator Module EDM), die sich knapp elf Stunden nach dem Start von der Rakete trennten und Kurs auf den Mars nahmen. 2018 soll dann die Folgemission einen Rover auf der Oberfläche des Roten Planeten absetzen.
Nach dem Start, der Entfaltung der Solarzellenflächen und dem Ausklappen der Kommunikationsantenne flogen TGO und Schiaparelli gemeinsam rund sieben Monate lang durch den interplanetaren Raum. Die weitere Planung sah wie folgt aus: Drei Tage vor dem Eintreffen am Ziel wird Schiaparelli von TGO abgetrennt, bevor dieser dann in einen Orbit 400 Kilometer über der Marsoberfläche einschwenkt. Schiaparelli fliegt dann „im Tiefschlaf“ weiter, bis er einige Stunden vor seinem Eintritt in die Atmosphäre aktiviert wird. Bei ihrem Eintritt wird die Landekapsel durch die Reibung von 21000 auf rund 1650 Stundenkilometer abgebremst. Ihr Hitzeschild schützt sie dabei vor dem Verglühen. Ein Fallschirm verlangsamt die Sonde weiter, bis er in einer Höhe von etwas mehr als einem Kilometer abgestoßen wird. Für den letzten Geschwindigkeitsabbau sorgen Bremstriebwerke. Zwei Meter über der Oberfläche werden diese dann abgeschaltet und Schiaparelli wird auf die Marsoberfläche fallen - ein Landetest für die Folgemission ExoMars 2018.
Auf dem Mars zu landen ist eine große Herausforderung. Schiaparelli wird verschiedene Technologien untersuchen, die dem in zwei Jahren folgenden Rover zur sicheren Landung verhelfen sollen: Materialien für den Hitzeschutz, einen Fallschirm, einen Radar-Höhenmesser sowie das Triebwerkssystem für die letzte Landephase. Während des Fluges durch die Atmosphäre messen vier COMARS+-Sensoren (COMbined Aerothermal and Radiometer Sensor), die vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Köln entwickelt worden waren, kontinuierlich den Wärmefluss, die Gasstrahlung, den Druck und die Oberflächentemperatur am hinteren Hitzeschutzschild. Nach seiner Landung ist Schiaparelli nur wenige Tage auf der Oberfläche des Roten Planeten aktiv. In dieser Zeit werden hauptsächlich die während des Landeanflugs gesammelten Daten übermittelt. Weil sich die Forscher auch für das Klima unseres Nachbarplaneten interessieren, ist auf Schiaparelli eine Wetterstation installiert. Dieses DREAMS-Paket (Dust Characterisation, Risk Assessment and Environment Analyser on the Martian Surface) misst Windgeschwindigkeit, Feuchtigkeit und Druck auf der Oberfläche und liefert den Wissenschaftlern einen Marswetterbericht, der bei der Planung künftiger Missionen helfen kann.
Soweit die Theorie, doch die Praxis sah dann leider anders aus. Am 19. Oktober 2016 trennte sich der Lander zunächst wie geplant von der Muttersonde, und erste Hinweise aus den Funksignalen ließen darauf schließen, dass das Landemodul die meisten Etappen seines sechsminütigen Abstiegs durch die Marsatmosphäre erfolgreich absolvierte. Hierzu zählen unter anderem die Atmosphärenbremsung, die Entfaltung des Fallschirms und die Abtrennung des Hitzeschilds. Der Datenempfang brach jedoch kurz vor der erwarteten Landung auf der Marsoberfläche ab.
Die zunächst analysierten Daten bestätigten zwar, dass die Phasen des Eintritts und des Abstiegs in die Atmosphäre wie erwartet verlaufen sind, die Ereignisse nach dem Abwurf des hinteren Hitzeschilds und des Fallschirms jedoch auf einen nicht planmäßigen Verlauf hindeuten. So scheint der Abwurf früher als geplant erfolgt zu sein. Was die Triebwerke anbetrifft, kann zwar mit Sicherheit gesagt werden, dass sie für eine kurze Zeit gezündet wurden, es aber danach aussieht, dass sie ihren Betrieb früher als erwartet eingestellt haben – in welcher Höhe dies geschah, muss ebenfalls noch analysiert werden.
Sowohl die ESA als auch das DLR hielten sich in den kommenden Wochen hinsichtlich des Misserfolges ziemlich bedeckt, verständlich bei einer Niederlage solchen Ausmaßes. Auch wenn immer wieder betont wird, dass der Lander wegen der begrenzten Kapazität seiner Batterien ja ohnehin nur ein paar Stunden hätte arbeiten können, sind die Folgen noch gar nicht in vollem Ausmaß bekannt. Immerhin sollte dieser Test die Funktionsfähigkeit der europäischen Landetechnik beweisen, denn sie ist essenziell für den folgenden Rover - bis zu dessen Start sind es nur noch zwei Jahre, und bis dahin muss das Problem gelöst sein. Derzeit geht man davon aus, dass ein Softwarefehler zum vorzeitigen Abschalten der Bremstriebwerke führte, so dass Schiaparelli aus mehreren hundert Metern Höhe ungebremst auf die Planetenoberfläche stürzte. Niemand mag sich die Katastrophe auszumalen, wenn das gleiche beim Abstieg des Rovers geschähe. Da liegt noch ein gewaltiger Berg Arbeit vor den Ingenieuren.
Indessen umkreist der Trace Gas Orbiter nunmehr den Planeten, um die Atmosphäre mit seinen vier Instrumenten in rund 400 Kilometern Höhe zu untersuchen. Dabei ist für die Forscher vor allem Methan interessant. Dieses Spurengas kann bei geologischen oder aber biologischen Prozessen entstehen und damit möglicherweise Hinweise auf Leben geben. Geringe Mengen wurden bereits von der europäischen Sonde Mars Express nachgewiesen. TGO soll nun die Quellen aufspüren. Dafür wird das Nadir and Occultation for Mars Discovery (NOMAD)-Instrument mit zwei Infrarot- und einem Ultraviolettspektrometer genau die Bestandteile der Marsatmosphäre messen. Die Atmospheric Chemistry Suite (ACS) vervollständigt mit drei weiteren Infrarotspektrometern das Messspektrum von NOMAD, während der Fine Resolution
Epithermal Neutron Detector (FREND) die Wasserstoffvorkommen des Roten Planeten bis zu einem Meter Tiefe vermessen wird. Das Colour and Stereo Surface Imaging System (CaSSIS) wird hochauflösende Farb- und Stereoaufnahmen der Marsoberfläche liefern. Zudem wird CaSSIS einzelne 3D-Stereoaufnahmen von lokal interessanten Gebieten – zum Beispiel in potenziellen Quellregionen von Spurengasen – erstellen und somit NOMAD und ACS unterstützen.
2018 soll die zweite ExoMars-Mission zum Roten Planeten aufbrechen. Diese wird einen Rover absetzen und auch auf der Landeplattform ein Instrumentenpaket mit sich tragen. Ein Teil der wissenschaftlichen Nutzlast auf dem Rover ist die Panoramic Camera (PanCam). Außerdem wird das rollende Labor erstmals mit einem Bohrer Proben aus bis zu zwei Metern Tiefe nehmen. Weil die Marsoberfläche extrem lebensfeindlich ist, könnten Tiefenproben eher Spuren einstigen Lebens enthalten.