EMMA hilft beim Rollen im Nebel (15.07.09)

Elektronische Flugplandaten unterstützen die Lotsen bei der Rollführung

Elektronische Flugplandaten unterstützen die Lotsen bei der Rollführung

Automatische Landungen bei schlechtem Wetter sind Routine. Aber am Boden müssen die Piloten ihren Weg zum Terminal nach Sicht finden. Auch die Towerlotsen können die Flugzeuge bei ungünstigen Wetterverhältnissen nicht sehen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeitet an neuen Rollführungssystemen, mit denen die Sicherheit beim Rollen deutlich verbessert werden kann. Am Flughafen Hamburg startet demnächst ein Feldversuch.

Neue Möglichkeiten der Rollführung bietet das beim DLR entwickelte A-SMGCS (Advanced Surface Movement Guidance and Control System), das Lotsen und Piloten, aber auch Fahrzeugführer auf dem Rollfeld in den wesentlichen, für die Rollkontrolle am Boden notwendigen Bereichen unterstützt. Dazu wird der gesamte Rollverkehr zur Überwachung der aktuellen Verkehrssituation am Flughafen durch Sensoren erfasst. So wird eine exakte räumliche und zeitliche Planung der Bewegungen möglich. Lotsen und Piloten steht eine Führungshilfe zur Verfügung, die sie bei der Planungsumsetzung unterstützt.
Die praktische Erprobung des „Rollführungs-Assistenten“ wurde im 6. Rahmenprogramm der Europäischen Kommission als Projekt EMMA (European Airport Movement Management by A-SMGCS) gestartet. Unter der Federführung des DLR hat ein Team von 24 europäischen Partnern aus zehn Ländern bereits die ersten beiden Basisdienste eines A-SMGCS an den Flughäfen Prag Ruzyne, Mailand Malpensa und Toulouse Blagnac implementiert. Sie erlauben dem Lotsen, wetterunabhängig, das heißt ohne Außensicht, den Rollverkehr am Bildschirm zu kontrollieren. Zur Zeit läuft die zweite Phase (EMMA2) mit dem Schwerpunkt auf der operationellen Einbindung der höheren A-SMGCS-Dienste, wie beispielsweise der Rollwegplanung und deren Überwachung. Hinzu kommen boden- und bordgestützte Führungssysteme, bestehend beispielsweise aus einem „Moving Map Display“, das dem Piloten seine Position sowie sein Ziel auf einer grafischen Kartendarstellung zeigt. Als weitere Neuerung kommen elektronische Datenlinks zum Einsatz, die den Sprechfunkverkehr zwischen Lotsen und Piloten verringern sollen. Diese Bord-Boden-Kommunikation wird auch mit dem Begriff Controller Pilot Data Link Communication (CPDLC) bezeichnet.

Towerlotsen verfolgen die Bewegungen von Flugzeugen und Fahrzeugen auf dem Bildschirm

Towerlotsen verfolgen die Bewegungen von Flugzeugen und Fahrzeugen auf dem Bildschirm

In der nächsten Phase sollen im Rahmen von EMMA2 mit dem neuen DLR-Flugversuchsträger A320 ATRA Rollversuche in Braunschweig, Prag, Mailand und Toulouse durchführt werden, die den gesamten Ablauf vom Anflug über das Gate bis zum Abflug einschließen. Durch den Wechsel auf diesen modernen Versuchsträger ergeben sich neue Chancen und Herausforderungen bei der Erprobung neuer Datenlinktechnologien sowie deren Einsatzverfahren. Mit dem Airbus A320 steht ein aktuelles und etabliertes Flugzeugmuster zur Verfügung, mit dem sich getestete Verfahren und Technologien schneller auf die tägliche Praxis übertragen lassen. Bei Versuchen in der Luft und am Boden können neben einer dem Stand der Technik entsprechenden Datenlinkausrüstung auch neuartige Technologien erprobt werden. Zum Beispiel lassen sich die Funktionen heutiger Verkehrsflugzeuge mit denen zukünftiger Neuentwicklungen direkt vergleichen und bewerten. Der Einsatz des ATRA liefert hierbei besondere Möglichkeiten, da mit ihm der gesamte Flugbereich heutiger Verkehrsflugzeuge genutzt werden kann. Dies gilt auch für das Rollverhalten. So kann mit Hilfe des ATRA eine neue Qualität bei der Bewertung von Entwicklungen im Bereich der Rollverkehrsführung beziehungsweise des A-SMGCS erreicht werden. Voraussetzung hierfür sind Erweiterungen der bisherigen Standardausrüstung des A320 um experimentelle Cockpitsysteme und Datenlink-Einbauten, deren Vorbereitung in konkreter Planung ist.

In Hamburg wird für einen groß angelegten Feldversuch bereits ein Rollführungssystem aufgebaut, das im Mai 2009 in Betrieb gehen soll. Der symbolische Spatenstich erfolgte am 19. März 2008 durch Dipl.-Ing. Kurt Klein, kommissarischer Direktor des DLR-Instituts für Flugführung, Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Hamburg GmbH, FHG und Dieter Kaden, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS). Neben einer 16 Kilometer langen Kabeltrasse für die Installation des neuen Rollführungssystems werden für das A-SMGCS noch 23 Antennen und ein zweites Bodenradar installiert.
Das System arbeitet mit den Transpondern, mit denen die meisten Flugzeuge ausgestattet und die Auskunft über die Identität des Flugzeuges geben. Dieser Transponder sendet individuelle Daten an zahlreiche Antennen auf dem Flughafengelände. Das A-SMGCS ermittelt daraus den Standort und die Identität des Flugzeugs und bestimmt mit Hilfe des aktuellen Flugplans die jeweilige Flugnummer. Diese Informationen werden in Kombination mit den genauen Darstellungen der Vorfelder und Pisten auf den Bildschirmen der Lotsen angezeigt. Damit können die Flugzeuge und entsprechend ausgerüstete Bodenfahrzeuge eindeutig identifiziert und exakt geortet werden. Für die Positionsbestimmung von Fahrzeugen und Flugzeugen ohne Transponder-Ausrüstung wird für eine vollständige Abdeckung der Flughafenflächen eine zusätzliche, neue Bodenradaranlage installiert.

Mit Hilfe von Transponder-Signalen können Position und Identität genau dargestellt werden

Mit Hilfe von Transponder-Signalen können Position und Identität genau dargestellt werden

Mit der gemeinsamen Feldtestplattform schaffen DLR, FHG und DFS die Voraussetzungen, das Rollführungssystem A-SMGCS um zusätzliche Funktionen zur Optimierung der Verkehrsführung zu erweitern. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen FHG, DLR und DFS wurde bereits geschlossen. Ziel der Feldtestplattform ist es, das operationelle A-SMCGS von der reinen Lotsenunterstützung hin zur Unterstützung für Piloten und Fahrzeugführer weiterzuentwickeln. Damit soll die gesamte Abwicklung des Bodenverkehrs bei schlechten Sichtverhältnissen optimiert werden und der hohe Sicherheitsstandard auch bei steigendem Verkehr beibehalten werden.
Wenn auf diese Weise der Bodenverkehr optimal gesteuert und somit die Standzeiten der Flugzeuge verringert werden, sinken sowohl Treibstoffverbrauch als auch Lärm- und Schadstoffemissionen. Das kommt der Umwelt zugute und spart Kosten.


Neben den drei Partnern FHG, DLR und DFS sind Universitäten und die Luftfahrt-Industrie eingebunden. So ist sichergestellt, dass die Bodenverkehrskontrolle der Zukunft von der Forschung bis hin zur Praxis kompetent und effizient begleitet wird. Bereits heute sind Forschungsprojekte wie zum Beispiel CARMA (Car Management on Aprons) und WFF (Wettbewerbsfähiger Flughafen) angelaufen, welche die Forschungsplattform intensiv nutzen werden. Neueste Forschungsergebnisse können dabei unmittelbar unter realen Einsatzbedingungen untersucht werden.
Die enge Kooperation zwischen Forschung, Lehre, Betrieb und Industrie am Hamburger Flughafen schafft Rahmenbedingungen für beschleunigte Innovationsprozesse und trägt zur Spitzenstellung des Luftfahrtstandortes Hamburg bei. Ebenso unterstreicht diese Kooperation zwischen Hamburg Airport, Flugsicherung und DLR eindrucksvoll die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Hamburger Luftfahrtkompetenz. Das DLR baut damit nach der Gründung des Instituts für Lufttransportkonzepte und Technologiebewertung an der TU Hamburg-Harburg in 2007 sein Engagement in Hamburg weiter aus.

Nur bei gutem Wetter können Flugzeuge am Boden nach Sicht rollen, bei Nebel helfen künftig neue Rollführungssysteme

Nur bei gutem Wetter können Flugzeuge am Boden nach Sicht rollen, bei Nebel helfen künftig neue Rollführungssysteme